Montag, 27. Oktober 2014

28. Oktober 1816



Am 28. Oktober 1816 wurde Malwida von Meysenbug in Cassel (Kassel schrieb man derzeit mit C) geboren. Sie war das neunte von zwölf Kindern der Familie. Ihre Mutter Ernestine Hansell kam aus einer hochangesehenen Bürgersfamilie und ihr Vater Phillippe Rivalier war höchster Minister des hessischen Kurfürsten, der ihm neun Jahre später den Adelstitel von Meysenbug verlieh. Nach schweren vormärzlichen Unruhen zog der Vater im Gefolge des Kurfürsten an verschiedene Orte in Hessen. Die Mutter zog mit den Kindern in die lippische Residenzstadt Detmold. Hier entdeckte Malwida ihre Liebe zu dem sechs Jahre jüngeren Pfarrerssohn Theodor Althaus, einem leidenschaftlichen Kämpfer für ein demokratisches Deutschland. Trotz ihrer Zugehörigkeit zum Adelsstand entwickelte sie sich zu einer überzeugten Demokratin. Nach dem Scheitern der deutschen Revolution 1848/49 stand sie zu ihren Überzeugungen und nahm die bittere Konsequenz einer Trennung von der Familie in Kauf. Ihrer Liebe zu Theodor Althaus blieb sie auch nach seinem frühen Tod treu. Unermüdlich kämpfte Malwida von Meysenbug um wirtschaftliche Unabhängigkeit und für die Gleichstellung der Frau. Nach dem Londoner Emigrantenleben zog es sie zunächst nach Florenz und schließlich nach Rom, wo sie eine Heimat fand und im Jahre 1903 starb. 




In ein offenes Herz hatte er [Theodor Althaus] ein Jahr zuvor gesät. Die sechs Jahre ältere Malwida von Meysenbug hatte nicht vergessen, was der große junge Mann mit den langen dunklen Locken ein Jahr zuvor [1843] von der Kanzel der Detmolder Stadtkirche gepredigt hatte. Seine Botschaften hatten ihre aristokratisch geprägten Ansichten ins Wanken gebracht, Zweifel ausgeräumt, Fragen beantwortet und ihr den Impuls zu einer für eine junge Frau in ihren Kreisen ungewöhnliche Aktion gegeben. Sie gründete einen Verein für Arme, in dem Mädchen und junge Frauen der besser gestellten Gesellschaft sich zusammenfanden, um mit Hilfe von Sammlungen und Spenden arme Familien zu unterstützen, von denen es nicht wenige in Detmold gab. Im Rahmen dieser Treffen entstand eine Freundschaft zwischen ihr und der siebzehnjährigen Elisabeth, der Schwester ihres Apostels, so nannte Malwida den verehrten Prediger insgeheim. Es blieb nicht aus, dass im vertrauten Gespräch hin und wieder über ihren Bruder und dessen Gedanken und Ideen geredet wurde.
Als Malwida von Meysenbug zusammen mit ihrer Schwester Laura eines Abends in die Althaus’sche Wohnstube eingeladen war, erfolgte die erste persönliche Begegnung mit Theodor Althaus. Beide fühlten sich sofort einer vom anderen angezogen und empfanden eine auffallende Übereinstimmung ihrer Gedanken zu vielen Themen aus Gesellschaft, Religion und Politik.. Beim nächsten Treffen, das im Meysenbug’schen Palais stattfand, konnte die im Gedankenaustausch erlebte Nähe nicht intensiviert werden, weil Malwida in der elterlichen Umgebung eine seltsame Befangenheit spürte. Jedoch stellten beide weitere Gemeinsamkeiten fest. Und sie teilten ihre Zuneigung zu Theodors Schwester Elisabeth, die sie die Kleine nannten. Die Kleine war dann auch in den folgenden Sommerwochen immer dabei, wenn die beiden sich trafen. Sie war ihre Vertraute und spielte den Briefboten vom Pfarrhaus zum Palais der Meysenbugs in der Hornschen Straße. Elisabeth war auch dabei, als Theodor den ersten Schritt auf seine Freundin zuging, um ihr zu zeigen, wie sehr er sie mochte. Überraschend standen Bruder und Schwester eines frühen Morgens an der Post, um Malwida zu verabschieden, die sich auf den Weg in südliche Gegenden machte, um zusammen mit ihrer Schwägerin, deren Kindern und Dienstpersonal den Winter in angenehmem Klima zu verbringen. Theodor übergab ihr einen Blumenstrauß mit Briefanhang, auf dem ein Zitat aus einem Gedicht von Torquato Tasso zu lesen war: I suoi pensieri in lui dormir non ponno. Die Botschaft war zwar in italienischer Sprache verfasst, jedoch klar. Er wollte der Angebetenen mitteilen, dass er immer an sie dachte und sie ihm schlaflose Stunden bereitete.
Der Zweiundzwanzigjährige hatte sich verliebt und die Geliebte war viele Tagesreisen entfernt in Hyères an der französischen Mittelmeerküste. Er vermisste ihre Zuneigung, die vertrauten Gespräche, in denen er sich mit seinen Ideen und Vorstellungen verstanden fühlte. Sie war diejenige, die bedingungslos hinter ihm stand, wenn jemand ihn kritisierte. Und Kritiker hatte er nicht wenige. Es war schwierig für ihn im beschaulichen Detmold. Die meiste Zeit verbrachte er am Schreibtisch in seiner Studierstube mit Ausblick in südwestliche Richtung, wo hoch über den Buchenwäldern auf der Grotenburg der Sockel des Hermannsdenkmals entstand. Häufig schaute er sehnsüchtig nach links hinüber zum Haus der von Meysenbugs in der Hornschen Straße mit dem Fenster von Malwida, der er so oft in einsamen Nachtstunden seine Wolkenträume herübergeschickt hatte. In gereimter Form  bewahrte er sie nun in seinem Nordischen Wintergarten auf, um sie ihr nach ihrer Rückkehr im nächsten Frühjahr zu schenken.

Gedichte für Malwida: Nordischer Wintergarten


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